Sideboard Amy – Abgewetzte Vintage-Schönheit in rosa-rot
Schon längere Zeit hatte ich ein kleines Schränkchen in meiner Garage stehen, das ich einmal über ebay-Kleinanzeigen ergattert hatte. Es war eines dieser typischen Eiche Rustikal Möbelstücke, die man aus unzähligen Wohnungen kennt. Nun war der Zeitpunkt gekommen, zu dem ich aus diesem unmodern gewordenen Stück, ein Vintage Unikat zaubern würde. Ich taufte das Schränkchen Amy und legte Hand an…
Arbeitsaufwand: ca. 15 Stunden
Materialkosten: ca. 185€ (wenn Ihr alles neu kaufen müsst)
Eingesetzte Materialien:
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- Schleifpapier verschiedene Körnungen (ca. 5€/Rolle)
- Synthetikpinsel in verschiedenen Größen (ca. 3€/Stück)
- Malerkrepp (Abklebeband) (ab ca. 1€/Rolle)
- Schellack-Sperrfinish von Natural Farben (ca. 32€/750ml-Dose)
- Farbe Lignocolor Old Shabby Chic “Englisch Weiß“ (23€/1kg-Dose)
- Farbe Lignocolor Old Shabby Chic “London Red“ (23€/1kg-Dose)
- Annie Sloan Chalk Paint „Henrietta“ (29€/1l-Dose)
- Acryl-Stempelblock und Silikon-Stempel (ca. 20€)
- Shabby Versiegelung von Lignocolor (ca. 22€/750gr)
- TopOil von Osmo 3068 Natural matt (ca. 18€/500ml)
1. Reinigung
Wie bei allen alten Möbelstücken stand im ersten Schritt erst einmal die Reinigung der Oberflächen an, da sich dort mit der Zeit die unterschiedlichsten Verschmutzungen ablagern, die die Haftung von einem neuen Anstrich vermindern können. Dieses Mal verzichtete ich auf ein so aggressives Mittel wie Anlauger und Entfetter und entschied mich für einen stark fettlösenden Haushaltsreiniger. Mit einem Scheuerschwamm schrubbe ich alle Oberflächen ordentlich ab.
2. Ablagefläche abschleifen
Eichenholzoberflächen sind heutzutage wieder voll im Trend. Sicherlich kennt Ihr die tollen Esstische, Sideboards und Stühle aus hellem Eichenholz, die man aktuell in allen Möbelhäusern finden kann. Der Eiche Rustikal-Charme von Amy war natürlich nicht gerade das, was man als moderne Optik bezeichnen würde. Unter dieser dunkelbraun lackierten Oberfläche befand sich doch aber auch Eichenholz! Und wie es bei alten hochwertigen Möbeln dieser Art so üblich war, sollte dieses Holz auch massiv sein. Anstatt die Ablagefläche nun also einfach nur mit Farbe zu überstreichen, entschied ich mich bei Amy dazu, das ursprüngliche Eichenholz wieder zum Vorschein zu holen! Normalerweise müsste ich beim Schleifen ja irgendwann auf das rohe Massivholz stoßen.
Ich schnappte mir also meinen Multischleifer (mehr zu diesem Gerät könnt Ihr in meinem Artikel Stuhl Paul nachlesen) und legte los. Mit einer professionellen Atemschutzmaske (Eichenschleifstaub ist giftig!) und einer Schutzbrille ausgestattet (mehr dazu auf meiner Seite Sonstige Utensilien) schliff ich die gesamte Oberfläche der Ablagefläche ab. Und siehe da! Nur wenige Millimeter unter der braunen Schicht befand sich ein wunderschönes und helles Eichenholz, das genauso aussieht wie man es heute in allen Möbelhäusern finden kann! Somit war es entschieden: Amy würde eine hochmoderne Eichenholz-Ablage behalten, die nicht überstrichen werden würde!
3. Ablagefläche altern lassen
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich verschiedene Möglichkeiten ausprobiert, wie man Holz künstlich altern lassen kann. Das Ergebnis könnt Ihr unter Holz altern lassen – Möglichkeiten im Vergleich nachlesen. Eine der Methoden, die sehr gut funktioniert hatte, war das Bürsten von Holz. Dabei werden mit einer Drahtbürste, die man in eine Bohrmaschine einspannt, die weicheren Teile des Holzes aus der Oberfläche entfernt, während die härteren Jahresringe stehen bleiben. Auf diese Weise kann man einer einfachen und glatten Holzoberfläche einen tollen Vintage Charakter verleihen.
Da nach dem Abschleifen des braunen Lackes das Holz von Amy auch noch sehr glatt war, entschied ich mich dazu, ihre Oberfläche mittels Bürsten noch etwas interessanter zu gestalten. Wie Ihr auf dem Detail-Bild unten sehen könnt, ist die Oberfläche des Schränkchens im Ergebnis toll strukturiert und hat einen ganz besonderen Charme.
4. Grundieren
Eichenholz hat einen sehr hohen Gehalt an Gerbsäuren, die mit einem neuen Anstrich reagieren und diesen verfärben können. Um dieses „Durchbluten“ (mehr dazu auf meiner Seite Grundierungen) zu verhindern, sollte man vor dem neuen Anstrich alle Oberflächen gründlich mit einer Grundierung mit Sperrwirkung streichen.
Dieses Mal verwendete ich als Grundierung Schellack. Schellack wird aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus gewonnen und ist somit ein natürliches Produkt, das sich in sehr vielen Einsatzbereichen wiederfindet, u.a. auch in der Möbelpflege. Schon vor mehr als zweihundert Jahren wurde es als hochglänzende Möbelpolitur eingesetzt. Als Grundierung verwendet hat es absperrende Eigenschaften, so dass der neue Anstrich vor hässlichen Verfärbungen geschützt ist.
Mit einem großen Pinsel trug ich die Lösung gründlich auf dem gesamten Schrank auf, innen, wie außen. Nur die Holzpatte oben auf dem Schränkchen sparte ich natürlich aus. Um die würde ich mich ganz zum Schluss weiter kümmern. Innerhalb von kurzer Zeit war die Grundierung trocken und es konnte mit dem nächsten Schritt weitergehen.
5. Korpus-Anstrich in Weiß
Für Amy hatte ich mir die Multi-Schicht-Methode ausgesucht, mit der man mit verschiedenen Farbschichten und anschließendem Durchschleifen einen tollen Vintage-Effekt erzeugen kann.
Dafür startete ich mit einem Anstrich in Weiß, auch wenn das Schränkchen am Ende gar nicht weiß werden sollte. Hierbei verwendete ich die Shabby Chic Farbe von Lignocolor im Farbton „Englisch Weiß“ (Amazon Kreidefarbe Lignocolor). Da der erste Anstrich nur wenig deckend war, trug ich später noch eine weitere Schicht auf.
6. Schubladen und Tür gestalten
Nun kümmerte ich mich erst einmal um die Schubladen und die Tür. Da Schubladenfronten und Türen für den Gesamtlook eines Möbelstücks meist ganz entscheidend sind, stecke ich immer ganz besonders viel Herzblut in deren Gestaltung. Denn schließlich machten die Fronten auch bei Amy einen ganz wesentlichen Teil der Vorderansicht aus.
Schubladen-Korpusse bleiben außen vor
Ich begann mit dem Streichen der Schubladen. Deren Korpusse strich ich aus drei Gründen nicht mit. Erstens waren sie in einem Top-Zustand, sodass hier nichts versteckt werden musste, zweitens würde man sie sowieso nicht sehen, wenn die Schubladen geschlossen waren und drittens – und das ist der wichtigste Grund – wollte ich vermeiden, dass die Schubladen später nicht mehr in den Schrank passten. Denn diese Schubladen haben seitlich jeweils eine Vertiefung, die über Führungsschienen im Schrank gestülpt werden. Hätte ich seitlich an den Schubladen und in den Vertiefungen nun zu viel Farbe aufgetragen, dann hätten die Schubladen nicht mehr in den Schrank gepasst oder wäre nur noch sehr schwergängig gewesen. Habt Ihr also Schubladen dieser Art, die ohnehin nur wenig Spielraum in ihrer Führung haben, dann streicht immer lieber nur die Fronten!
Zuerst streichen
Ich klebte mir die Fronten mit etwas Klebeband rundherum ab und ging dann erst einmal genauso vor wie schon bei dem Schrankkorpus, d.h. ich grundierte sie mit Schellack und strich sie weiß. Dann sollte etwas Farbe ins Spiel kommen. Ich strich die Fronten komplett mit der Kreidefarbe von Annie Sloan (mehr dazu unter Annie Sloan Chalk Paint) im Farbton Henrietta, einem kräftigen Rosa an. Nur die Griffe ließ ich aus. Nach dem Trocknen strich ich dann mit einem kleinen Pinsel jeweils den Rahmen der Kassette und einen Teil der Griffe mit der Shabby Chic Farbe von Lignocolor im Farbton London Red an. Die Tür des Schränkchens bemalte ich anschließend genauso.
Ein Wort zu der Genauigkeit, mit der Ihr bei einem solchen Schritt vorgehen müsst: Wenn Ihr vorhabt Eurer Möbelstück am Ende abzuschleifen und ihm so einen Shabby Chic Look zu verpassen, dann ist es fast egal, ob Ihr genau malt oder nicht! Sowohl bei den Fronten als auch später bei dem Korpus habe ich mir bei den Farbübergängen nicht sonderlich viel Mühe gegeben! Wenn hier und da mal etwas Farbe über den Rand hinausgeht, dann ist das überhaupt nicht schlimm. Denn beim späteren Schleifen könnt Ihr diese Stellen überarbeiten und wegschleifen. Dazu kommt, dass Ungenauigkeiten bei dem unruhigen Shabby Look nicht mehr auffallen, sondern ihn im Gegenteil noch schön unterstützen!
Scrapbooking als Möglichkeit zur Verzierung
Um die Fronten etwas interessanter zu gestalten überlegte ich mir, sie mit hübschen Ornamenten zu verzieren. Im ersten Moment dachte ich an Schablonen. Durch die Kassettenform der Fronten war es aber nicht so einfach, eine Schablone anzulegen und das Muster dann präzise aufzutupfen. Im Grunde genommen konnte das nur mit einem Stempel gut klappen. Leider hatte ich keine Stempel mit so kleinen Motiven da und somit unterbrach ich erstmal meine Arbeit und schaute mich im Internet um. Nach kurzer Zeit hatte ich auch schon die Lösung gefunden! Kennt Ihr den Begriff Scrapbooking?
Das ist ein Basteltrend, bei dem man mit Papier, Fotos, Aufklebern, Stempeln und vielen anderen Dingen beispielsweise tolle Collagen bastelt. Für diese Bastelkunst gibt es die tollsten Stempel, die nach einem recht cleveren Prinzip funktionieren: Zunächst einmal braucht man einen Acrylblock, d.h. einen glasklaren, farblosen Kunststoffblock, der als Träger für den eigentlichen Stempel funktioniert. Dazu kann man dann gleich ganze Bögen von Stempelmotiven kaufen, die aus Silikon jeweils ganz flach gegossen sind. Die einzelnen Motive lassen sich dann von dem Bogen abziehen und haften von alleine auf dem Acrylblock.
Nach dem Stempeln kann man den Silikonteil dann einfach reinigen und wieder zurück auf den Bogen kleben. Somit hat man eine ganze Menge von Stempeln mit nur ganz geringem Materialaufwand. Das war die Lösung! Ich bestellte mir schnell Acrylblöcke (diese hier Amazon MyPaperWorld Acrylblock Set und diese hier Amazon Papermania Stamp Block Set) und dazu zwei Bögen mit Vintage Stempelmotiven (diesen hier Amazon RAYHER – Clear Stamp Swirls und diesen hier Amazon RAYHER – Clear Stamps – Vintage Ornamente).
Motive einfach aufstempeln
Nachdem die Sachen geliefert wurden, konnte es dann weitergehen. Ich suchte mir ein paar Motive aus, bemalte sie mit einem kleinen Pinsel mit der weißen Farbe von Lignocolor und konnte dann ganz einfach die hübschen filigranen Motive auf die Fronten meiner Schublade und die der Tür stempeln.
7. Korpus-Anstrich in Rot
Dann ging es erst einmal wieder mit dem Korpus des Schränkchens weiter. Mit der Farbe „London Red“ strich ich nun den gesamten Korpus von außen rot an. Wie ich schon in meinem Testbericht zu den Farben von Lignocolor geschrieben habe (Kommode Funky Bertha inkl. Farben-Test) sind insbesondere die leuchtenden Farben nicht perfekt in ihrer Deckkraft. Wie Ihr auf dem Bild links sehen könnt, bleibt nach dem ersten Anstrich noch eine Menge vom Untergrund sichtbar.
Um ein deckendes Ergebnis zu bekommen waren bei mir drei Anstriche nötig. Dafür hat der Anstrich nun aber auch einen leicht fleckigen oder „wolkigen“ Charakter, was den Vintage Look noch unterstützt.
8. Korpus Details in Rosa
Nach dem Trocknen der roten Farbe setzte ich nun wieder die rosa Farbe von Annie Sloan für ein paar Details an den Beinen ein. Wie man es von Annie Sloan gewohnt ist, war hier schon der erste Anstrich fast perfekt deckend – trotz des sehr dominanten Hintergrunds.
Nun ließ ich den gesamten Schrank erst einmal gut durchtrocknen, bevor es an das Schleifen ging.
9. Schleifen für den perfekten Vintage Look
Dann ging es mit dem entscheidenden Schritt für den abgewetzten Shabby Look weiter. Bis jetzt war Amy einfach nur eine bunt angemalte Kommode, mit den rosaroten Farben vielleicht sogar etwas kitschig. Nun aber würde sie durch das Durchschleifen der verschiedenen Farbschichten einen ganz anderen Look bekommen. Amy sollte ganz besonders shabby werden und somit nahm ich mir ein sehr grobes Schleifpapier zur Hand und legte mit voller Kraft los.
Ich bearbeitete alle Ecken, Kanten und hervorstehenden Teile und holte so sehr grob die einzelnen Farbschichten wieder herunter. Auf diese Weise wurden auf allen Teilen des Schränkchens insgesamt vier Farben sichtbar: Das dunkle Braun des Eichenholzes, das Weiß, das Rot und das Rosa. Auch die Stempelmotive auf den Fronten schliff ich teilweise wieder weg, denn nur so konnte Amy am Ende es ein authentisches Bild abgeben. 🙂 Auf dem Foto rechts könnt Ihr sehen wie ich nun mit übermalten Kanten umgegangen bin. Beim Streichen mit Rot habe ich nicht abgeklebt und bin daher mit dem großen Pinsel immer mal wieder etwas abgerutscht und habe aus Versehen auch die Innenseite angemalt. Nun konnte ich diese Kanten mit dem Schleifpapier ganz einfach korrigieren bzw. kaschieren. 🙂
Auf dem Foto unten könnt Ihr sehen, wie der Schrankkorpus direkt nach dem Schleifen aussah. Es war eine ganze Menge Farbstaub heruntergekommen (deshalb: Denkt immer an einen Atemschutz!) und der musste erst einmal gründlich entfernt werden. Den groben Staub saugte ich weg und anschließend wusch ich alle Flächen noch einmal mit einem nassen Lappen ab.
10. Versiegelung
Dann war es Zeit für das Finish. Kreidefarbe ist nach dem Trocknen sehr empfindlich und muss immer versiegelt werden. Damit das Schränkchen lange schön blieb, stand also auch bei mir nun dieser Schritt an. Dazu verwendete ich die Versiegelung von Lignocolor (Amazon Lignocolor Shabby Chic Versiegelung), die sich sehr einfach verstreichen lässt und super schnell trocknet. Nun war ich fast fertig.
11. Holz ölen
Nach dem Trocknen der Versiegelung kümmerte ich mich abschließend um die Eichenholz-Ablagefläche. Zuerst schliff ich die Ränder noch einmal kurz ab, wo ich mit etwas Farbe drangekommen war. Dann schnappte ich mir einen fusselfreien Lappen und trug das Arbeitsplattenöl von Osmo (Amazon OSMO TopOil 3058) auf. Auf meiner Seite Lack, Wachs oder Öl? – Holz-Versiegelungen im Vergleich habe ich für Euch getestet, wie unterschiedlich das Ergebnis bei der Versiegelung von rohem Holz werden kann.
Das TopOil von Osmo war unter den getesteten Produkten und gefiel mir deshalb besonders gut, weil es das Holz nicht anfeuerte, sondern durch seine weiße Pigmentierung sogar etwas heller erscheinen ließ. Bei Amy drang es prima in die vorher durch das Bürsten erzeugten Holzstrukturen ein und betonte die Maserung so noch besser. Nach drei Durchgängen sah die Platte super edel aus und war hervorragend gegen alle Einflüsse des Alltags geschützt. Und fertig war Amy!
Ich finde die Kombination des Echtholzes zusammen mit der abgewetzten, inzwischen gar nicht mehr kitschigen Vintage Optik sehr gelungen. In Zukunft werde ich mir sicherlich öfter überlegen, ob ich Teile meiner Möbel nicht einfach in Massivholzoptik belasse. Denn für mich hat Holz immer auch einen edlen und hochwertigen Charakter.
2 Comments
Viktoria
Hallo Leoni,
ich habe ebenfalls ein paar Möbel (Tisch, Stühle, Kommode shabby like hergerichtet. Allerdings mit dem Pinsel bin ich nun zu faul bzw. ich habe mit meiner Schulter Probleme. Hast Du schon probiert die Shabby Farbe von Lignocolor zu sprühen? Wenn ja welches System empfiehlst Du? Ich hab mal direkt bei Holzbeizen nachgefragt (per Mail) allerdings noch keine Antwort erhalten. Da Du soviel damit auch arbeitest, kannst Du mir vielleicht einen Tip geben. Ich wäre Dir sehr dankbar. Vielen Dank und Gruß Viktoria
Leonie
Hallo liebe Viktoria!
Leider habe ich bisher noch nicht ausprobiert, die Farbe von Lignocolor zu sprühen und kann daher kein System empfehlen. Bei Shabby Projekten finde ich es immer besonders schön, wenn die Pinselspuren später noch erkennbar sind. Sorry, dass ich Dir da nicht helfen kann. Wenn Deine Schulter Probleme macht, dann probiere das Sprühen doch einfach mal aus. Und dann berichte mir gerne wie es geklappt hat! 🙂
Liebe Grüße
Leonie